Stellungnahme zum aktuellen Referentenentwurf zur Änderung der Einkommenssteuer-Durchführungsverordnung

Nach dem aktuelle Referentenentwurf zur Änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung sollen bestimmte steuerliche Bewertungsnachweise nur noch dann anerkannt werden, wenn sie von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen stammen. Dies ist aus unserer Sicht eine ungerechtfertigte Benachteiligung von DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierten Sachverständigen. Wir haben dazu eine entsprechende Stellungnahme formuliert:
Diese Stellungnahme befasst sich mit den im Referentenentwurf vom 6. August 2025 vorgesehenen Änderungen der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in den §§ 9b und 11c. Die geplanten Neuregelungen sehen vor, dass der Nachweis bestimmter steuerlich relevanter Tatsachen – insbesondere der Aufteilung eines Gesamtkaufpreises sowie der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes – ausschließlich durch öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige (öbuv) erbracht werden darf. Sachverständige, die von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle zertifiziert sind, werden damit ausgeschlossen.
1. Rechtslage in § 198 BewG
Der Gesetzgeber hatte bereits im Jahr 2021 § 198 Abs. 2 Bewertungsgesetz (BewG) geändert, um Klarheit zu schaffen: Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts kann seitdem auch durch Gutachten von Sachverständigen erbracht werden, die von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle zertifiziert worden sind. Mit dieser Gesetzesänderung wurde ausdrücklich von der zuvor restriktiven BFH-Rechtsprechung abgewichen, die neben den Gutachterausschüssen nur öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige zulassen wollte. Der Wille des Gesetzgebers war damit eindeutig: Gleichwertige Qualifikationen sollen anerkannt werden.
2. Verhältnis zu §§ 9b und 11c EStDV
Die nun geplante Beschränkung in §§ 9b und 11c EStDV betrifft nicht unmittelbar den Anwendungsbereich des § 198 BewG, da dieser primär für die Erbschaft- und Schenkungsteuer gilt. Allerdings steht die geplante Verordnungsregelung in einem deutlichen Wertungswiderspruch zu § 198 BewG. Während der Gesetzgeber dort bewusst eine Öffnung zugunsten zertifizierter Sachverständiger vorgenommen hat, würde die Verordnungsänderung diese Gruppe im Bereich der Einkommensteuerbewertung erneut ausschließen. Dies widerspricht dem gesetzgeberischen Leitbild, die frühere restriktive BFH-Rechtsprechung aufzugeben.
3. Europarechtliche Bewertung
Die geplante Exklusivität für öbuv-Sachverständige verstößt mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen:
- Art. 18 AEUV (Diskriminierungsverbot),
- Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit),
- Richtlinie 2005/36/EG (Berufsanerkennungsrichtlinie).
Die pauschale Benachteiligung zertifizierter Sachverständiger ignoriert die Gleichwertigkeit ihrer Qualifikation, obwohl diese im nationalen Recht (§ 198 (2) BewG sowie die Gutachterausschussverordnungen der Länder in Bezug auf die Auskunft aus der Kaufpreissammlung) bereits anerkannt ist. Eine Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses ist zudem nicht ersichtlich, da insbesondere die Qualitätssicherung bereits unter dem bestehenden System gewährleistet ist.
4. Grundrechtliche Bewertung (Art. 12 GG)
Die Regelung stellt eine subjektive Berufszugangsbeschränkung dar, da sie qualifizierten, aber nicht öbuv-bestellten Sachverständigen den Zugang zu einem wesentlichen Tätigkeitsbereich versperrt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind solche Beschränkungen nur zulässig, wenn sie zur Abwehr nachweisbarer Gefahren für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich sind. Eine solche Gefahr ist hier nicht ersichtlich. Die Regelung ist juristisch betrachtet schon nicht erforderlich und damit grundrechtswidrig, da gleichwertige Qualifikationen (z. B. ISO-Zertifizierung) bereits bestehen und anerkannt sind und somit ein gleich wirksames, milderes Mittel zur Verfügung steht.
5. Erwiderung auf die Begründung des Verordnungsgebers
In der amtlichen Begründung zur Änderung der Verordnung wird ausgeführt, dass öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige (§§ 36, 36a GewO) eine „über den Sachkundenachweis belegte Fachkompetenz“ mit einer „über die Vereidigung bewirkten besonderen persönlichen Verpflichtung auf die Integrität“ ihrer Arbeit vereinten. Dadurch sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass Gutachtenstandards eingehalten würden und keine weiteren Nachweise im Veranlagungsverfahren erforderlich seien.
Diese Argumentation greift jedoch zu kurz und ist in Bezug auf von nach ISO/IEC 17024 akkreditierten Stellen zertifizierte Sachverständige nicht haltbar:
- Fachkompetenz: Auch zertifizierte Sachverständige müssen im Zertifizierungsverfahren ihre Fachkunde nachweisen. Die Anforderungskataloge der nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stellen sind inhaltlich gleichwertig zu den Anforderungen an öbuvSV.
- Integrität: Die persönliche Verpflichtung auf Integrität wird bei zertifizierten Sachverständigen vertraglich abgesichert. Verstöße gegen diese Verpflichtung führen zur sofortigen Aberkennung der Zertifizierung.
- Qualitätssicherung: Die Arbeit zertifizierter Sachverständiger wird durch laufende Überwachung sowohl der Sachverständigen selbst als auch der Zertifizierungsstelle sichergestellt. Die Akkreditierung der Zertifizierungsstelle durch die DAkkS (Deutsche Akkreditierungsstelle) garantiert die Unabhängigkeit und die Einhaltung nationaler und internationaler Standards.
- Praktische Feststellung der Eignung: Die fachliche Eignung lässt sich unkompliziert überprüfen, indem der Sachverständige seiner Expertise die Zertifizierungsurkunde beifügt. Enthält diese das DAkkS-Logo, ist die Akkreditierung gemäß der „Amtlichen Mitteilung zur Akkreditierung nach EN ISO/IEC 17024“ für Sachverständige im Sinne der §§ 198 Abs. 2, 220 Abs. 2 Satz 3 BewG zweifelsfrei belegt.
- Kein zusätzlicher Prüfaufwand: Entgegen der Annahme in der Verordnungsbegründung ist bei Vorlage eines solchen Zertifikats keine zusätzliche Feststellung der Eignung und auch kein weiteres Sachverständigengutachten erforderlich.
Folglich besteht kein sachlicher Grund, zertifizierte Sachverständige gegenüber öbuvSV zu benachteiligen. Die vom Verordnungsgeber angeführten Vorteile sind in gleicher Weise bei Sachverständigen gegeben, die von einer nach DIN EN ISO/IEC akkreditierten Stelle zertifiziert sind.
6. Auswirkungen auf Wirtschaft, Steuerpflichtige und Verwaltungspraxis
Die geplante Beschränkung auf öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige hat nicht nur berufsrechtliche und europarechtliche Implikationen, sondern wirkt sich auch unmittelbar auf die Immobilienwirtschaft, Investoren und die Verwaltungspraxis aus:
Für Investoren und Immobilieneigentümer
- Verzögerungen: Da die Zahl der öbuvSV in Deutschland begrenzt ist, ist mit erheblichen Wartezeiten auf Gutachten zu rechnen. Dies kann Immobilientransaktionen und steuerlich relevante Nachweise verzögern.
- Kostenerhöhung: Die faktische Monopolstellung der öbuvSV führt tendenziell zu höheren Honoraren, was Investitionen wirtschaftlich belastet.
- Investitionshemmnis: Erhöhte Kosten und zeitliche Verzögerungen erschweren Investitionen in Bestandsimmobilien und mindern die Attraktivität des Standortes.
Für die Verwaltungspraxis
- Härtefälle: Die Beschränkung kann zu vermehrten Härtefällen führen, etwa wenn zeitnah kein öbuvSV verfügbar ist.
- Verfahrensverzögerung: Die eingeschränkte Gutachterverfügbarkeit kann zu einer Verlängerung der Veranlagungsverfahren führen.
- Erhöhter Begründungsaufwand: Ablehnungen von Gutachten zertifizierter Sachverständiger werden verstärkt Rechtsbehelfsverfahren auslösen, die zusätzlichen Verwaltungsaufwand verursachen.
Gesamtwirkung
Die Neuregelung verengt den Markt für qualifizierte Gutachterleistungen künstlich und bewirkt eine faktische Angebotsverknappung. Dies widerspricht den Zielen einer effizienten Verwaltung, einer zügigen Steuerfestsetzung und einer investitionsfreundlichen Wirtschaftspolitik.
7. Ergebnis und Empfehlung
Die geplanten Änderungen in §§ 9b und 11c EStDV stehen in einem klaren Wertungswiderspruch zu § 198 BewG und dem gesetzgeberischen Willen, gleichwertige Sachverständigenqualifikationen anzuerkennen. Zudem bestehen erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem EU-Primärrecht und der Verfassung (Art. 12 GG – freie Berufswahl).
Zur Vermeidung der dargestellten Probleme wird empfohlen, die im Jahr 2021 in § 198 Abs. 2 BewG eingeführte Regelung inhaltsgleich für die Zwecke der Kaufpreisaufteilung (§ 9b EStDV) und der Ermittlung der Restnutzungsdauer (§ 11c EStDV) zu übernehmen.
Konkret sollte in beiden Vorschriften festgelegt werden, dass der Nachweis nicht nur durch öbuvSV, sondern auch durch Sachverständige erbracht werden kann, die von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle zertifiziert wurden.
Dies würde eine Rechtsvereinheitlichung zwischen verschiedenen Steuerarten herstellen, den gesetzgeberischen Willen umsetzen, die Gutachterkapazität sichern und gleichzeitig ein hohes Qualitätsniveau gewährleisten.