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Bauschadens- vs. Bewertungs-Sachverständige: Was darf wer?


Beitrag aus: „Immobilienbewertung – Lehrbuch und Kommentar“, zusammengefasst von Tanja Sessinghaus

Sachverständige für Immobilienbewertung fragen sich hin und wieder, wie sie mit bei der Ortsbesichtigung festgestellten Bauschäden und Baumängeln umzugehen haben. Was kann von einem solchen Sachverständigen erwartet werden und was nicht? In diesem Blogbeitrag wird dieser Frage nachgegangen.

Liegen offensichtliche den Immobilienwert beeinflussende Mängel und Schäden am Bewertungsobjekt vor, sollte der Sachverständige diese in seinem Gutachten dokumentieren. Er sollte auch entsprechende Wertreduzierungen im Gutachten vornehmen. In bestimmten Fällen ist es allerdings empfehlenswert, im Zusammenhang mit der Beschreibung und/oder Bewertung vertiefende Untersuchungen durch einen Fach-, z.B. Bauschadenssachverständigen, anzuraten.


Doch wer ist eigentlich für die Erforschung von Schadensursachen und für die Ermittlung von Schadensbeseitigungskosten zuständig? Und wovon hängt die Zuständigkeit ab?

Die bei einer Immobilienbewertung zu erkundenden und zu berücksichtigenden Grundstücksmerkmale sind sehr umfangreich. Selbst die Aufzählung der noch hinter den marktangepassten vorläufigen Verfahrensergebnissen zu berücksichtigenden besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale (boG) ist seitenlang. Sie gliedern sich wie folgt:

  1. Abweichungen vom üblichen Zustand der baulichen Anlagen und des Bodens (insbesondere Bau- und Unterhaltungsbesonderheiten, technische und wirtschaftliche Baumängel, Modernisierungs- und Umbauerfordernisse);
  2. Besondere Rechte und Belastungen (insbesondere Miet- und Ertragsbesonderheiten, sonstige Rechte und Belastungen);
  3. Sonstige Besonderheiten (insbesondere illegale Grundstücksnutzungen, merkantile Minderwerte).

Die Unterpunkte (2) und (3) werden vom Bewertungssachverständigen i.d.R. final in seiner Immobilienbewertung berücksichtigt. Von Punkt (1) sind dies grundsätzlich nur die Bau- und Unterhaltungsbesonderheiten, wie Instandhaltungsrückstau, die wirtschaftlichen Baumängel, schlechte Grundrisse sowie die Modernisierungserfordernisse.

Bezüglich der Bauschäden und technischen Baumängel sind den Bewertungssachverständigen allerdings Grenzen gesetzt. Diese ergeben sich zum einen aus dem, was im Rahmen einer Immobilienbewertung leistbar ist und zum anderen aus seiner Fachkompetenz.


Was ist im Rahmen einer Immobilienbewertung leistbar?

Leistbar ist grundsätzlich das Erkennen offensichtlicher Schäden und Mängel. Hierzu gehören insbesondere:
  • Feuchtigkeit, Risse, Schimmel und Schädlingsbefall am Gebäude, soweit nicht verdeckt oder nicht zugänglich;
  • Generelle Mängel. z.B. unwirtschaftliche Gebäudegrundrisse, Raumhöhen oder Gebäudeanordnungen auf dem Grundstück.

Aufgabe des Bewertungssachverständigen ist es, tatsächliche und potenzielle Schäden bzw. Mängel in diesem Umfang zu erkennen und im Gutachten darauf hinzuweisen.

Nicht leistbar ist grundsätzlich das Erkennen von Funktionsschäden u.ä. Hierzu gehört z.B.
  • Die eigenständige Untersuchung des Funktionierens mechanischer Bauteile (z.B. können nicht alle Fenster und Türen detailliert besichtigt und auf Funktionstüchtigkeit untersucht werden) und technischer Einrichtungen (insbesondere für Elektro, Heizung, Sanitär kann zwar die Zeitgemäßheit des Standards beurteilt, während der Objektbesichtigung aber nicht die Funktionstüchtigkeit untersucht werden).
  • Denn: Das Öffnen von Bauteilen ist dem Bewertungssachverständigen grundsätzlich untersagt.
  • Baugrund-, Schimmelpilz- oder Kontaminierungsanalysen gehören ebenfalls nicht in das Arbeitsfeld des Bewertungssachverständigen.

Was ist Aufgabe von Bauschadenssachverständigen?

Bauschadensanalyse und die Ermittlung der Schadensbeseitigungskosten ist die Aufgabe von Bauschadenssachverständigen bzw. von spezialisierten Fachleuten. Bauschadenssachverständige sind diesbezüglich Gehilfen des Bewertungssachverständigen. Dieser empfiehlt demnach auch, ob ein und ggf. welcher Bauschadenssachverständige hinzugezogen werden soll oder nicht. Ob dieser Empfehlung gefolgt wird, entscheidet der Auftraggeber.

Folgende Kriterien bestimmen die Hinzuziehung eines Spezialsachverständigen:
  • Kompliziertheit der Schadenserkennung und -analyse,
  • Höhe des Werteinflusses (z.B. bei geringem Einfluss „mutige Schätzung“),
  • Gefahr von Folgeschäden.

Nicht zuständig ist der Bauschadenssachverständige für den Werteinfluss seiner für die Bauschadensbeseitigung ermittelten Kosten; dies ist Aufgabe des Bewertungssachverständigen. In vielen Fällen ist eine Schadensbeseitigung unwirtschaftlich; in diesen Fällen wird die Wertminderung unabhängig von den ermittelten Beseitigungskosten ermittelt. Auch die Berücksichtigung des nach einer Schadensbeseitigung evtl. noch gegebenen merkantilen Minderwerts ist vom Bewertungssachverständigen zu beurteilen.

Bauschadensanalysen können sehr zeit- und kostenaufwändig sein, etwa wenn der Baugrund untersucht werden muss. Der diesbezügliche Aufwand ist mit den Honoraren für die Bewertungstätigkeit nicht abgedeckt.

Die für Bauschadensanalysen erforderlichen technischen Fachkenntnisse gehören nicht zur Regelkompetenz des Bewertungssachverständigen. In dem zu den Zertifizierungsregeln gehörenden Prüfstoffverzeichnis sind die technischen und fachlichen Kenntnisse von Bewertungssachverständigen aufgelistet und sämtlich dem Vertiefungsgrad 1 (Grundlagen, Basiswissen) zugeordnet.

Das bedeutet, dass der Bewertungssachverständige geschult wird, Bauschäden zu erkunden, zu erkennen und auch (siehe Diagramm) in ihrem Werteinfluss zu beurteilen.


?Fazit und Tipp

Demzufolge dürfen zertifizierte (und auch öffentlich bestellte) Sachverständige für Immobilienbewertung ihren Zertifizierungs- und Bestellungstitel nicht bei Schadensanalysen und diesbezüglichen Kostenberechnungen oder gar Kostenanschlägen verwenden. Auch ihre Stempel dürfen bei solchen Tätigkeiten nicht verwendet werden. Die Berufshaftpflichtversicherung für Bewertungssachverständige deckt diese Arbeiten i.d.R. auch nicht ab.

Es ist ratsam, dass der Sachverständige sich und die Gutachtenkonsumenten durch folgende Handhabung vor negativen Konsequenzen im Zusammenhang mit boG schützt: Im Sachverständigenvertrag und in den darauf abgestellten Gutachtentexten sollte der Sachverständige genau die von ihm zu erbringenden (z.B. Verkehrswertermittlung) und auch nicht zu erbringenden Leistungen (z.B. Bauschadensuntersuchungen und Funktionsprüfungen) beschreiben und vereinbaren.

Im Loseblattwerk „Immobilienbewertung – Lehrbuch und Kommentar“ ist das Thema detailliert behandelt. Es werden zudem Formulierungshilfen für den Sachverständigenvertrag und beispielhafte Gutachtentextbausteine für die Praxis vorgeschlagen.

Entsprechende aktuelle Sachverständigenvertragstexte zur Haftungsregelung finden Sie in Books Pro oder in den Loseblattwerken „Immobilienbewertung – Marktdaten und Praxishilfen“ sowie „Immobilienbewertung – Lehrbuch und Kommentar“.