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Corona-bedingte Schließung von Gewerbemietflächen und Mietminderung – Auswirkungen auch in der Wertermittlung?

Autoren: Rechtsanwälte Stefan Schneider und Sven Johns, MOSLER+PARTNERRECHTSANWÄLTE

Gastronomie, Hotels, Einzelhandel müssen infolge Corona schließen und die Mieter verlangen eine Minderung der Miete. Wie reagieren Vermieter und Verwalter richtig? Und haben die Schließungen auch Auswirkungen auf die Wertermittlung von gewerblich genutzten Immobilien?

Der erste Corona-Lockdown im März und April 2020 infolge Corona führte zur Schließung von Geschäften, Lokalen sowie Hotels und zu massiven Umsatzrückgängen bei den Mietern. Die Rechtsprechung befasst sich 2021 nun mit den rechtlichen Folgen dieser Schließungen und den Auswirkungen auf die Gewerbemietverträge.

Zwischenzeitlich geht der nächste und viel längere Lockdown zu Ende (Schließungen von Dezember 2020 bis in den März 2021). Auch für diese Periode wird es zu Klagen und umfangreicher Rechtsprechung wegen rückständiger Mieten und wegen der Kündigung von Mietverträgen führen.

Fortbestand des Mietvertrages?
Am Ende kann über die Vorschrift des § 313 Abs. 3 BGB auch die Möglichkeit der Kündigung eines Gewerbemietvertrages im Raum stehen. Gerade diese Unsicherheit, ob nämlich die Kündigung des Vertrages als Folge von Corona-bedingten Schließungen denkbar ist, muss von der Rechtsprechung schnellstmöglich beseitigt werden. Würde die Möglichkeit der Kündigung des Gewerbemietvertrages infolge einer Corona-bedingten Schließung von der Rechtsprechung anerkannt werden, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die Bewertung von gewerblich genutzten Liegenschaften.

Hinweis für Sachverständige
In der Rechtsprechung musste dieser Fall noch nicht entschieden werden. Für Sachverständige ist aber bei der Wertermittlung die Kenntnis der aktuellen rechtlichen Situation bei der Bewertung von Gewerbemietverträgen sehr wichtig und sollte unbedingt weiterverfolgt werden. Dabei ist auch die Kenntnis der Regeln über die Zumutbarkeit des Festhaltens am Mietvertrag unerlässlich. Nicht dauerhaft standhaltende Mietverträge bzw. Pandemieklauseln und Umsatzmietenklauseln in Gewerbemietverträgen gewinnen in diesem Zusammenhang eine ganz neue Bedeutung. Sachverständige sehen sich deshalb bei der Beurteilung von Gewerbemietverhältnissen vor neuen Herausforderungen.

Mietminderung?
Die Rechte von Gewerbemietern werden aufgeteilt in die mietrechtlichen Gewährleistungsansprüche, bei denen es zu einer Mietminderung kommen kann, in die Unmöglichkeit der Nutzung der Mietsache sowie die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage.
Es zeichnet sich in der Rechtsprechung ab, dass trotz landesweiter Corona-Verordnungen und der dadurch bedingten Schließungen ein Recht zur Minderung der Miete nach den mietrechtlichen Vorschriften für Gewerbemieter nicht besteht.

Anpassung des Mietvertrages
Stattdessen hat der Gesetzgeber mit Art. 240 § 7 EGBGB im Dezember 2020 eine sehr versteckte Vorschrift eingeführt, nach der bei Gewerbemietverträgen die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage Anwendung finden sollen. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift zumindest die Möglichkeit einer Anpassung des Mietvertrages gem. § 313 BGB grundsätzlich eröffnet.

Was sagt § 313 BGB?
Wenn ein Gewerbemietvertrag einer erheblichen Störung unterliegt, die ein Festhalten am unveränderten Mietvertrag nicht zumutbar macht, kann ein Recht zur Anpassung des Mietvertrages (§ 313 Abs. 1 BGB) oder das Recht zur Kündigung (§ 313 Abs. 3 BGB) bestehen.

Auswirkungen auf Gewerbemietverträge
Welche Auswirkungen haben die Corona-bedingten Schließungen von Einzelhandel, Gastronomie und Hotels auf den Fortbestand der Gewerbemietverträge? Die neuesten Entscheidungen der Oberlandesgerichte aus dem Frühjahr 2021 sprechen keine einheitliche Sprache. Verschiedene Gerichte entscheiden bei den gleichen Mietern (in diesem Fall eine bundesweit tätige Einzelhandelskette) unterschiedlich und billigen in einem Gerichtsbezirk eine Anpassung der Miete zu und in einem anderen Gerichtsbezirk nicht.

Herabsetzung der Miete nicht einheitlich
Die Herabsetzung der Miete nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB hängt an unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift. Während die Rechtsprechung inzwischen sehr deutlich dazu neigt, die Störung der Geschäftsgrundlage bei Corona-bedingten Schließungen anzuwenden, führt das nicht automatisch zum Anspruch auf eine Herabsetzung der Miete.
Zusätzlich darf das Festhalten an den vereinbarten Konditionen des Mietvertrages für den Mieter nicht zumutbar sein.

Zumutbarkeit am Festhalten des Mietvertrages
Die Frage der Zumutbarkeit am Festhalten der Konditionen des Mietvertrages wird in jedem Einzelfall zu prüfen sein. In einer aktuellen Entscheidung hat das OLG München entschieden, dass bei einer bundesweit vertretenen Einzelhandelskette ein Umsatzrückgang von ca. 45 % im März 2020 und von ca. 75 % im April 2020 aufgrund der weiteren Umstände des Einzelfalls nicht zu einem Recht der Anpassung des Mietvertrages führt. Der Gewerbemieter hatte die Herabsetzung der Miete gefordert. Das Gericht hat dem entgegengehalten, dass im Einzelfall auch die Stundung der Miete als ein „Minus“ in Betracht kommen könne.

Keine pauschale Mietminderung
Vereinzelt wurde in Presseveröffentlichungen gemeldet, dass Mieter und Vermieter sich das Risiko der Corona-bedingten Schließung von Gewerbeflächen teilen sollten. Dies führte auch zu der öffentlich geäußerten Meinung, dass Mieter ihre Gewerbemieten pauschal um 50 % reduzieren könnten. Das OLG München hat in seinem Beschluss beide Möglichkeiten zurückgewiesen und stattdessen ausgeführt, dass die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sein.

Staatliche Hilfeleistungen berücksichtigen
§ 313 BGB führt nicht automatisch zur Berechtigung der Anpassung des Mietvertrages. Wenn Gewerbemieter staatliche Hilfeleistungen in Anspruch nehmen können, müssen diese bei der Frage der Zumutbarkeit des Festhaltens am Mietvertrag berücksichtigt werden. Deshalb müssen Vermieter und Verwalter im Einzelfall prüfen, ob eine Berechtigung zur Inanspruchnahme von staatlichen Hilfen besteht. Ist dies der Fall und werden diese erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt, sollten auch diese späteren Zahlungen Eingang in die Verhandlungen mit dem Gewerbemieter finden.

Aussicht
Der BGH wird die von den einzelnen OLG bislang uneinheitlich entschiedenen Fragestellungen klären müssen. Dabei wird die besonders wichtige Frage des Rechts zur Kündigung eines Gewerbemietvertrages eine große Rolle spielen. Diese kann erhebliche Auswirkungen auf die Wertermittlung haben.
In dem Webinar am 28.04.2021 gehen die Autoren auf den aktuellen Stand der Corona-Rechtsprechung bei Gewerbemietverhältnissen ein und erläutern den aktuellen Stand zur Anpassung von Gewerbemietverträgen und der Vereinbarung von Pandemieklauseln in neuen Gewerbemietverträgen.