Unser gesamtes Angebot gilt ausschließlich für Unternehmer gemäß § 14 BGB

Finanzgericht Münster zu den Anforderungen beim Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer


Das Finanzgericht Münster hat mit seinem Urteil vom 2. April 2025 (14 K 654/23 E) erneut die Rechte von Immobilieneigentümern bei der Geltendmachung einer verkürzten Abschreibung gestärkt. Das Urteil bestätigt die neuere BFH-Rechtsprechung und weist die restriktiven Vorgaben des BMF-Schreibens vom 22.02.2023 in wesentlichen Teilen zurück.


Die positiven Aspekte des Urteils

Das Gericht bekräftigt das Wahlrecht der Steuerpflichtigen bei der Gutachtenmethodik und stellt klar, dass die modellhafte Ermittlung nach ImmoWertV eine zulässige Schätzmethode darstellt. Besonders hervorzuheben ist die Klarstellung, dass eine wirtschaftlich begründete kürzere Nutzungsdauer ausreicht – ein Bausubstanzgutachten ist nicht zwingend erforderlich.


Kritische Würdigung der Gutachterqualifikation

Überraschend ist allerdings die Entscheidung des Gerichts zur Sachverständigenqualifikation. Das FG Münster akzeptierte ein Gutachten eines Sachverständigen, der weder öffentlich bestellt und vereidigt war noch über eine Zertifizierung nach DIN EN ISO/IEC 17024 durch eine akkreditierte Stelle verfügte. Die vom Gutachter vorgelegte Zertifizierung durch die niederländische "Ada InViva BV" – die keine akkreditierte Zertifizierungsstelle ist – wurde vom Gericht als ausreichend erachtet.

Diese Entscheidung steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu:

  • Den Vorgaben des BMF-Schreibens vom 22.02.2023 (Rz. 22)
  • Der Systematik des § 198 Abs. 2 BewG, der für Verkehrswertgutachten zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes explizite Qualifikationsanforderungen normiert
  • Der gängigen Praxis vieler Finanzämter, die auf entsprechende Zertifizierungen bestehen

 

Die Ortsbesichtigung: Tendenz zur Erforderlichkeit

Ein weiterer Aspekt des Urteils betrifft die Frage der Ortsbesichtigung. Der Sachverständige hatte zunächst kein Objekt persönlich in Augenschein genommen, was zu einer anfänglichen Ablehnung durch das Finanzamt führte. Wegen einer nachgeholten Besichtigung akzeptierte das Gericht das Gutachten und musste die Frage nach der Erforderlichkeit einer persönlichen Ortsbesichtigung eines Nutzungsdauer-Gutachtens nicht weiter erörtern.

Das FG Münster deutet in seiner Urteilsbegründung aber an, dass es zur Erforderlichkeit einer Ortsbesichtigung neige.

Für die Praxis bedeutet dies: Auch wenn es noch keine Rechtsprechung zur Notwendigkeit einer Ortsbesichtigung für Nutzungsdauer-Gutachten gibt, ist eine solche anzuraten, um Diskussionen und ggf. rechtliche Schritte zu vermeiden.

 

Praxishinweise und Ausblick

Während das Urteil grundsätzlich die Position der Steuerpflichtigen stärkt, sollten Immobilieneigentümer bei der Sachverständigenauswahl vorsichtig agieren. Die Entscheidung ist ein Einzelfall, und es bleibt abzuwarten, ob sich diese liberale Sichtweise durchsetzt oder ob der BFH möglicherweise strengere Anforderungen an die Sachverständigenqualifikation stellen wird.

Für die Praxis empfiehlt sich weiterhin, auf Sachverständige mit anerkannter Qualifikation zurückzugreifen – sei es durch öffentliche Bestellung und Vereidigung oder durch Zertifizierung bei einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle. Dies vermeidet unnötige Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung und beschleunigt die Anerkennung der verkürzten Abschreibung.


 

Fazit

Das Urteil des FG Münster ist ein weiterer Baustein in der steuerzahlerfreundlichen Rechtsprechung zur Nutzungsdauer-Gutachten. Die großzügige Handhabung der Sachverständigenqualifikation sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine solide fachliche Qualifikation des Sachverständigen für ein belastbares Gutachten unerlässlich bleibt.