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Haftung bei Kurzgutachten Fachexperte Sebastian Drießen beantwortet Ihre Fragen


Nach unserem letzten BusinessBreakfast zum Thema Haftung bei „Kurzgutachten“ haben uns zahlreiche Fragen erreicht. Nachfolgend stehen Ihnen alle ausführlichen Antworten von unserem Fachexperten Sebastian Drießen zur Verfügung.

Übrigens: Falls Sie das BusinessBreakfast verpasst haben, können Sie sich hier die Aufzeichnung anschauen. 


Wie würden Sie ein Kurzgutachten von einer Marktpreiseinschätzung rechtlich trennen?

Meine persönliche Meinung dazu lautet wie folgt: In der „Marktpreiseinschätzung“ steckt das Wort „Gutachten“ nicht drin, so dass der normale Verbraucher von der Aussagekraft des Dokumentes bzgl. Vollständigkeit und Gründlichkeit der Untersuchungen weniger erwartet als bei einem Dokument, das mit „Kurzgutachten“ betitelt ist. Das sehe ich aller- dings unabhängig davon, dass der Verbraucher auch bei einer Marktpreiseinschätzung im Vorfeld aufgeklärt werden sollte, was diese umfasst, wofür diese erstellt wird und wo- für diese verwendet werden darf. 


Ist das Ergebnis aus Value Ihrer Meinung nach ein Kurzgutachten?

Meine persönliche Meinung dazu lautet wie folgt: Der Begriff „Kurzgutachten“ ist nicht definiert und kann daher auch für Marktpreiseinschätzungen, Wertermittlungen oder ähnliche Bezeichnungen verwendet werden. Allerdings dürfte ein normaler Verbraucher unter dem Begriff „Kurzgutachten“ eine umfangreichere und genauerer Arbeit des Er- stellers erwarten, wenn das im Vorfeld dem Verbraucher gegenüber nicht eindeutig und nachweislich anders kommuniziert wurde. 


Ist das wording wichtig? Ich nenne meine Kurzgutachten „Werteinschätzung“ oder „Kurzbewertung“. 

Meine persönliche Meinung dazu lautet wie folgt: Einige Sachverständige und Makler verwenden gerne vielversprechende Begrifflichkeiten für ihre Produkte. Und ein Produkt, in dem das Wort „Gutachten“ steckt, wird als solches angesehen. Allerdings assoziieren Verbraucher mit solchen Begrifflichkeiten (hier: „Gutachten“ im Wort) zumeist auch eine gründlichere Arbeit. Wichtig ist in allen Fällen eine transparente und nachweisbare Infor- mation des Kunden, was in welchem Produkt steckt und wofür man dieses verwenden kann.


Aber für Value ist KEIN SV-Vertrag notwendig, richtig?

Meine persönliche Meinung dazu lautet wie folgt: Wenn ich die Haftung für eine Marktpreiseinschätzung (auch die über Value) reduzieren möchte, geht das nur über einen Vertrag. Statt Sachverständigenvertrag würde ich ihn dann eher „Vertrag zur Erstellung einer Marktpreiseinschätzung“ o.ä. betiteln.


Welche Haftung kann im Vertrag ausgeschlossen werden?

Grundsätzlich gibt es je nach Verschuldungsmaßstab folgende Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung. Unter AGB ist ein normaler Vertrag zu verstehen, der nicht beweisbar individuell ausgehandelt wurde:


Kann die Haftung auf das Honorar der Wertindikation beschränkt werden?

Es gibt die Möglichkeit über den Vertrag eine summenmäßige Haftungsbegrenzung mit aufzunehmen. Allerdings nur für das Verschulden nach leichter Fahrlässigkeit. Bzgl. grober Fahrlässigkeit müsste eine Individualvereinbarung erfolgen und diese so gestaltet werden, dass sie als solche auch beweisbar ausgehandelt wurde. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige dürfen diese summenmäßige Haftungsbeschränkung bei grober Fahrlässigkeit nicht vereinbaren. Bei Vorsatz kann die Haftung der Summe nach nicht beschränkt werden. Ob ein Vergehen leicht fahrlässig, grob fahrlässig oder vorsätzlich erfolgte, ist individuell durch das Gericht zu entscheiden.


Ist die Dritthaftung auch für das Verkehrswertgutachten ausschließbar?

Ja, sowohl in älteren Urteilen (u.a. OLG Stuttgart – 9 U 47/93) als auch in neueren Urteilen (z.B. OLG Frankfurt – 1 U 114/12) ist das so geurteilt worden. Allerdings muss dazu sowohl im Vertrag als auch im Gutachten bzw. Marktwerteinschätzung (oder wie auch immer man das Wertermittlungsdokument nennt) dies entsprechend geregelt sein – im Gutachten so, dass sie auch dem oberflächlichen Leser auffällt und nicht untergeht. Poetzsch-Heffter (IMR 2014, 310) merkt zu der o.g. OLG Frankfurt Entscheidung per „Praxishinweis“ an: „Die Entscheidung gibt einen für die Praxis wichtigen Hinweis. Ein Gutachtervertrag kann mit einer Schutzwirkung aus-gestattet sein, muss es aber nicht. Insofern liegt es nahe, diese Frage im Vertrag klar zu regeln. Geklärt werden kann auch, inwieweit die Untersuchung des baulichen Zustands zum Auftrag des Gutachters gehört. Zweifel können dann insoweit nicht aufkommen.“


Wir überreichen den Kunden eine „Wertermittlung“. Macht es Sinn, in dem Dokument zu vermerken, dass es kein! „Gutachten“ ist?

Meine persönliche Meinung dazu lautet wie folgt: Es sollte sowohl im Vorfeld als auch in dem Dokument selber erkennbar sein, um was es sich bei dem Dokument handelt und um was nicht. Daher finde ich Ihren Vorschlag sinnvoll, in dem Wertermittlungsdokument einen Textbaustein aufzunehmen, z.B. dass es sich bei dem Dokument (bzw. der Wertermittlung) nicht um ein Gutachten über den Verkehrswert nach § 194 BauGB handelt, sondern (z.B.) um eine auf Grundlage der vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Daten und Informationen erfolgten Marktpreiseinschätzung (oder Wertermittlung o.ä.).


Wenn ich kein Sachverständiger bin, kann ich doch keinen Sachverständigenvertrag abschließen oder?

Dieses Argument ist nachvollziehbar. Ich würde den „Sachverständigenvertrag“ dann umbenennen, z.B. in „Vertrag zur Erstellung einer Marktpreisermittlung“ o.ä.


In wie fern läuft das wenn ich als Makler eine Markteinschätzung erstelle wenn Kunden einen Bewertung benötigt für : Scheidungsfall, Erbschaft / Schenkung, für seine Steuer

Meine persönliche Meinung dazu lautet wie folgt: Handelt es sich um einvernehmliche Scheidungen/Erbschaften/Schenkungen sind Markteinschätzungen vollkommen ausreichend, wenn das Ergebnis auch tatsächlich den Markt wiederspiegelt. Bei nicht einvernehmlichen Fällen sollte eher ein teureres Gutachten erstellt werden. Wenn es darum geht, dass das Gutachten beim Finanzamt eingereicht werden soll, um bei einer Erbschaft-/Schenkungsteuer den niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen (oder auch für andere Angelegenheiten), sollten Sie sich vorab bei dem Finanzamt erkundigen, welche formalen Voraussetzungen an das Gutachten und die das Gutachten erstellende Person gestellt werden. Das wird in der Praxis tatsächlich unterschiedlich gehandhabt.


Wir haben im Prosa ja auch 3 Kategorien, Vollgutachten, Kurzgutachten und Formulargutachten, Die Kurzgutachten dort sind aber wie ein Vollgutachten, oder sehe ich das falsch

Ja, so ist es. Es ist vom Umfang her nur kürzer.


Ein paar Haftungsbeispiele wären sehr interessant

LG Köln, Urteil vom 11.12.2009 – 32 O 263/06: Ein Verkehrswertgutachter handelt grob fahrlässig, wenn er das falsche Baujahr angibt und sein Gutachten keinerlei Hinweise auf den teilweise bauordnungsrechtswidrigen Zustand des Gebäudes enthält. 

OLG Celle, Urteil vom 31.07.2013 – 4 U 15/13: Beachtet ein Sachverständiger bei der Be- wertung des Verkehrswertes eines Grundstücks nicht, dass der Boden wegen einer in unmittelbarer Nachbarschaft betriebenen Chemiefabrik kontaminiert sein könnte, ist die Bewertung falsch und der Sachverständige handelt grob fahrlässig.

OLG Brandenburg, Urteil vom 11.03.2010 – 5 U 204/08: Es liegt keine grobe Fahrlässig- keit vor, wenn der SV im Wertgutachten die Bauweise der Wände mit „konventionelles Ziegelmauerwerk“ angibt, obwohl es sich tatsächlich um eine Holzständerkonstruktion handelt, die lediglich mit einer massiven Vorsatzschale versehen wurde, was für den Sachverständigen jedoch nicht erkennbar war.

LG Berlin, Urteil vom 13.07.2011 – 23 O 350/10: Es ist nicht grob fahrlässig, wenn ein SV aufgrund eines vorliegenden Anschlusszwangs ohne weitere Untersuchungen davon ausgeht, dass auch das begutachtete Grundstück an die Kanalisation angeschlossen ist. Anders kann dies nur liegen, wenn der Anspruchsteller Tatsachen vorträgt, nach denen es sich aufdrängt, dass dem Anschlusszwang nicht Folge geleistet wurde.

OLG Köln; Urteil vom 03.02.1995 – AZ 19K 104/93: Ein in einem Zwangsversteigerungs- verfahren mit der Wertermittlung eines bebauten Grundstücks beauftragter Sachver- ständiger entledigt sich eines Gutachtenauftrags dann leichtfertig, wenn er in seinem Gutachten den Eindruck erweckt, die für die Beurteilung der Räumlichkeiten maßgeb- lichen Umstände aufgrund eigener Ortsbesichtigung ermittelt zu haben, obwohl er das Gebäude nur von außen besichtigt hat, weil ihm der Zutritt verwehrt worden war. Vertraut ein Ersteher auf die Richtigkeit des Gutachtens, so hat der Sachverständige ihm nach § 826 BGB den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen.

BGH, Beschluss vom 21.10.2014 – XI ZB 12/12: „Die Grundstücksbewertung ist not- wendig mit Unschärfen behaftet und deshalb nicht fehlerhaft, solange sich das Bewer- tungsergebnis im Rahmen zulässiger Toleranzen bewegt. Fehlerhaft ist das Ergebnis erst dann, wenn es als solches nicht mehr vertretbar ist. In der Rechtsprechung des BGH sind bei der Verkehrswertermittlung Schwankungsbreiten von 18-20 % als unvermeidbar und noch vertretbar angesehen worden. In der Literatur werden im Einzelfall noch höhere Ab- weichungen von bis zu 30 % akzeptiert. Wo im Einzelfall die Toleranzgrenze zu ziehen ist, ist Sache der tatrichterlichen Beurteilung.“

OLG Oldenburg, Urteil vom 06.08.2014 - 4 U 17/14: Ein Sachverständiger, der eine zu verkaufende Immobilie zu bewerten hat, ist ohne erkennbare Anzeichen von Mängeln nicht verpflichtet, die Immobilie auf mögliche Baumängel – insbesondere versteckte und nicht sichtbare – zu überprüfen. Der Sachverständige kann seine Haftung gegenüber dem Käufer der Immobilie mit dem im schriftlichen Gutachten erteilten Hinweis, dass er das Objekt nicht auf versteckte Mängel untersucht habe und diesbezüglich ggf. ein Schadensgutachter hinzugezogen werden müsse, wirksam beschränken.


Gute Frage: Die Kurzgutachten dort sind in ProSa wie ein Vollgutachten, oder sehe ich das falsch?

Genau. Sie sind lediglich vom Umfang her kürzer. 


Ein in ProSa erstelltes Kurzgutachten darf man als Kurzgutachten im Sinne des §194 BGB benennen?

Wenn es den Anforderungen des § 194 BauGB entspricht ja! 


Und auch mit einem öbvS Stempel signieren?

Solange die zuständige Kammer das nicht verbietet ja! Das würde ich aber nicht erfra- gen, sondern so lange Kurzgutachten erstatten, bis die Kammer das herausbekommt und – sofern sie etwas dagegen hat – verbieten. Ggf. kann man gegen ein solches Verbot aber auch noch vorgehen.


Gibt es ein Muster, wenn wir mit der Value-Software arbeiten für einen „Sachverständigervertrag“ danke.

Das gibt es bislang nicht. Ich habe Ihre Idee aber aufgegriffen und bereits an den zuständigen Produktmanager weitergegeben.


Aber wenn der Auftraggeber ENTGEGEN der Vereinbarung das (Kurz-) Gutachten weiter gibt, sind wir als Erstatter von der Haftung ausgeschlossen?

Meine persönliche Meinung dazu lautet wie folgt: Sofern diese Vereinbarung nicht nur im Vertrag, sondern auch im Gutachten/Kurzgutachten/Marktpreiseinschätzung etc. ent- halten ist und dort nicht untergeht, kann mich dieser Dritte nicht in Haftung nehmen.


Bitte noch beantworten: wenn der Auftraggeber ENTGEGEN der Vereinbarung das (Kurz-)Gutachtenweiter gibt, sind wir als Erstatter von der Haftung ausgeschlossen?

Meine persönliche Meinung dazu lautet wie folgt: Sofern diese Vereinbarung nicht nur im Vertrag, sondern auch im Gutachten/Kurzgutachten/Marktpreiseinschätzung etc. ent- halten ist und dort nicht untergeht, kann mich dieser Dritte nicht in Haftung nehmen. 


Neue NHK sind ja immer schön, leider gibt es immer keine für spezielle Immobilien und hallen, da müssen wir immernoch auf die NHK2000 zurückgreifen, Oft gibt es auch NHK aber keine passenden Wägungsanteile, wird das in der neuen NHK besser?

Das hoffen nicht nur Sie! Zum jetzigen Zeitpunkt kann das leider noch nicht beantwor- tet werden. Die Ausschreibung zum Forschungsprojekt zur Aktualisierung der NHK 2010 wird derzeit erarbeitet. Wenn diese veröffentlicht wird, kann man zumindest erahnen, was mit der „Aktualisierung“ konkret gemeint ist. Wägungsanteile für gewerbliche Immo- bilien ist aber auch ein schwieriges Thema, da sich Gewerbeimmobilien (auch derselben Objektart) stark in den Wägungsanteilen unterscheiden können.


? Unser Tipp:

Mehr zum Thema Haftung beleuchtet Prof. Jürgen Ulrich in seinem Web-Seminar