Welche Anforderungen stellt die ImmoWertV 2021 an Vergleichspreise?
15. Juni 2021
Sebastian Driessen
Immobilienwissen DE ImmoWertV
Immobilienwissen DE ImmoWertV

Die ImmoWertV 2021 wird weiterhin wesentliche Details in der Anwendung von Vergleichspreisen der sachverständigen Abwägung überlassen. Dies hat positive Auswirkungen auf die generelle Nutzung des Vergleichswertverfahrens.
Zum Hintergrund
Das Vergleichswertverfahren kann entweder auf Grundlage einer statistischen Auswertung einer ausreichenden Anzahl von Vergleichspreisen (Vergleichspreisverfahren) oder durch Multiplikation eines objektspezifisch angepassten Vergleichsfaktors mit der entsprechenden Bezugsgröße des Wertermittlungsobjekts (Vergleichsfaktorverfahren) ermittelt werden. Vergleichspreise dienen demnach als Grundlage für das Vergleichspreisverfahren.
Ausreichende Anzahl von Vergleichspreisen
Eine konkrete absolute Vorgabe für die ausreichende Anzahl findet sich weder in der ImmoWertV 2021 noch in dem aktuellen Entwurf der ImmoWertA (Anwendungshinweise zur ImmoWertV). In den ImmoWertA ist diesbezüglich erläutert, dass die erforderliche Anzahl insbesondere unter Berücksichtigung statistischer Anforderungen sachverständig zu bestimmen sei. Diese Erläuterung ist zu begrüßen. Zur sachgerechten Anwendung des Vergleichspreisverfahrens müssen jedoch mindestens drei Vergleichspreise vorliegen, da bei nur zwei Vergleichspreisen unmöglich zu überprüfen wäre, ob bei einem der beiden Vergleichspreise ggf. nicht ersichtliche Besonderheiten vorliegen. Bei mehr als 15 Vergleichspreisen ist aus statistischer Sicht nicht mehr mit einer signifikanten Genauigkeitssteigerung zu rechnen. Aus diesen Gründen kann allgemein gesagt werden, dass der Sachverständige im Idealfall mit acht bis 15 Vergleichspreisen in die Ermittlung des Vergleichswerts einsteigen sollte. Im Einzelfall kann bzw. muss – je nach Verfügbarkeit von Vergleichspreisen – davon abgewichen werden.
Vergleichspreise
Die ImmoWertV 2021 regelt, dass zur Ermittlung von Vergleichspreisen (tatsächlich realisierte) Kaufpreise solcher Grundstücke heranzuziehen sind, die mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmende Grundstücksmerkmale aufweisen und die zu Zeitpunkten verkauft worden sind, die in hinreichender zeitlicher Nähe zum Wertermittlungsstichtag stehen. Zudem sind sie auf ihre Eignung zu prüfen und Abweichungen an die Gegebenheiten des Wertermittlungsobjekts entsprechend anzupassen.
Hinreichende Übereinstimmung der Grundstücksmerkmale
Kein Grundstück gleicht einem anderen. Jedes Grundstück besitzt eine eigene Individualität. Sind die Zustandsunterschiede jedoch zu groß oder handelt es sich sogar um einen anderen Teilmarkt, so ist das Grundstück nicht mehr zum Vergleich geeignet. Der hierfür erzielte Kaufpreis ist demnach zumindest für diesen Bewertungsfall kein „geeigneter“ Vergleichskaufpreis.
Obwohl im weitesten Sinne fast alles miteinander verglichen werden kann, sind für die sachgemäße Anwendung des Vergleichspreisverfahrens engere Grenzen gesetzt. Dies ist insbesondere darin begründet, dass die Aussagefähigkeit des Vergleichswerts überproportional abnimmt, je größer die Abweichung der Zustandsmerkmale der Vergleichsobjekte zum Bewertungsobjekt ist.
In den ImmoWertA (2. Entwurfsfassung) wird zu der hinreichenden Übereinstimmung ausgeführt:
„Eine hinreichende Übereinstimmung des Grundstückszustands eines Vergleichsgrundstücks mit dem des Wertermittlungsobjekts liegt vor, wenn das Vergleichsgrundstück hinsichtlich seiner wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmale keine oder nur unerhebliche Abweichungen aufweist oder nur Abweichungen aufweist, deren Auswirkungen auf die Kaufpreise […] in sachgerechter Weise durch Umrechnungskoeffizienten oder Zu- und Abschläge berücksichtigt werden können.
Für eine hinreichende Übereinstimmung des Grundstückszustands sind insbesondere die Lage, der Entwicklungszustand, die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzbarkeit, die Bodenbeschaffenheit, die Größe, die Grundstücksgestalt und der beitrags- und abgabenrechtliche Zustand sowie bei bebauten Grundstücken auch die Gebäudeart, der bauliche Zustand, die Wohn- oder Nutzfläche, die energetischen Eigenschaften, das Baujahr und die Restnutzungsdauer zu beurteilen.“
Wie groß die einzelnen Zustandsunterschiede sein dürfen, damit ein Grundstück noch als Vergleichsgrundstück verwendet werden darf, wird nicht abschließend beantwortet. Generell sollten die Abweichungen sowohl in den einzelnen Faktoren als auch in ihrer Summe so gering sein, dass bei wirtschaftlich vernünftiger Betrachtungsweise eine Vergleichbarkeit noch anzunehmen ist. Zu strenge Anforderungen würden die Anwendung des Vergleichspreisverfahrens unnötig weiter einengen.
Grundsätzlich sollten Abweichungen, wenn genügend andere bzw. besser übereinstimmende Vergleichspreise zur Verfügung stehen, in den einzelnen Merkmalen und im Gesamtwert 25 % nicht übersteigen.
Ausnahmsweise – z.B. wenn keine ausreichende Anzahl besser übereinstimmender Vergleichspreise verfügbar und auch keine anderen Wertermittlungsverfahren anwendbar sind – müssen auch größere Abweichungen hingenommen werden, um überhaupt eine Wertermittlung durchführen zu können.
Hinreichende zeitliche Nähe zum Wertermittlungsstichtag
Die Forderung, dass das Kaufdatum eines geeigneten Vergleichsgrundstücks nicht zu weit vom Wertermittlungsstichtag entfernt liegen sollte, hat dieselbe Begründung wie die im Vorabschnitt beschriebene Forderung nach der hinreichenden Übereinstimmung der Grundstücksmerkmale.
In den ImmoWertA (2. Entwurfsfassung) heißt es diesbezüglich:
„Eine hinreichende Übereinstimmung eines Vertragszeitpunktes mit dem Wertermittlungsstichtag liegt vor, wenn der Vertragszeitpunkt nur eine unerheblich kurze Zeitspanne oder nur so weit vor dem Wertermittlungsstichtag liegt, dass Auswirkungen auf die allgemeinen Wertverhältnisse […] in sachgerechter Weise insbesondere durch Indexreihen berücksichtigt werden können.“
Wie groß die Zeitunterschiede sein dürfen, damit ein Grundstück noch als Vergleichsgrundstück verwendet werden darf, wird nicht abschließend beantwortet. Die Unterschiede in den Änderungen der allgemeinen Wertverhältnisse (Angebot und Nachfrage, allgemeine Wirtschaftssituation, örtliche Entwicklung) dürfen nicht so groß sein, dass bei wirtschaftlich vernünftiger Betrachtungsweise eine Vergleichbarkeit infrage gestellt werden muss.
Grundsätzlich sollten die Kaufpreise von Vergleichsgrundstücken aus einem Zeitraum stammen, der nicht mehr als 3 Jahre vom Wertermittlungsstichtag abweicht.
Bei der Begrenzung dieser Zeitspanne kommt es jedoch wiederum auch erheblich auf das im Einzelfall ansonsten verfügbare Kaufpreismaterial und die Anwendungsmöglichkeit sonstiger Wertermittlungsverfahren an.
Fazit
In der ImmoWertV 2021 werden folgende allgemeine Anforderungen an Vergleichspreise gestellt, die in den ImmoWertA weiter erläutert werden: Die ausreichende Anzahl an Vergleichspreisen, die hinreichende Übereinstimmung der Grundstücksmerkmale und die hinreichende zeitliche Nähe zum Wertermittlungsstichtag. Allerdings werden keine konkreten Zahlen für diese Anforderungen aufgeführt, was aus Sachverständigensicht zu begrüßen ist. Denn konkrete Werte könnten im Einzelfall dazu führen, dass das Vergleichspreisverfahren letztlich gar nicht durchführbar sein könnte. Am Ende bleibt es also bei einer sachverständigen Abwägung, ob ein Vergleichsgrundstück noch als geeignet angesehen werden kann oder nicht.
Übrigens: Wesentlich effektvoller als eine Erhöhung der Vergleichsgrundstücke ist die Steigerung der Aussagefähigkeit jedes einzelnen Vergleichspreises durch intensives Erkunden des zum Verkaufszeitpunk gegebenen Grundstückszustands und der gründlichen sachverständigen Anpassung der Vergleichskaufpreise an alle wesentlichen wertbeeinflussenden Faktoren des Bewertungsobjekts und die allgemeinen Wertverhältnisse zum Wertermittlungsstichtag.
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