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Kein Notwegerecht für Zufahrt zu Garage, wenn das Grundstück über einen öffentlichen Weg erreichbar ist


Eine mittels Baulast gesicherte Zufahrt sowie eine baurechtlich genehmigte Garage auf einem mit öffentlichen Wegen verbindungslosen Grundstücksteil sind keine hinreichende Voraussetzung für ein Notwegerecht, wenn das Grundstück an anderer Stelle über einen öffentlichen Weg erreichbar ist (BGH- Urteil vom 19.11.2021 (V ZR 262/20)). 

 

Zum Hintergrund des Rechtsstreits 

Das betreffende Grundstück entstand durch Teilung und ist mit einem Wohnhaus und zwei genehmigten Garagen bebaut. Zur Sicherung der Zufahrt zu den Garagen hatte der ursprüngliche, das Grundstück teilende Eigentümer das andere entstandene Grundstück mit einer Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrrechts zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers des herrschenden Grundstücks belastet. Allerdings wurde die Grunddienstbarkeit als nicht in das geringste Gebot fallend gelöscht, als das Grundstück zwangsversteigert und dem neuen Eigentümer zugeschlagen wurde. Unbeschadet dessen ruht eine entsprechende Baulast zur Gewährung des Zugangs zum betreffenden Grundstück zur Nutzung der Garagen sowie dem jederzeit ungehinderten Einsatz von Feuerlösch- und Rettungsgeräten aufgrund des Brandschutzes. 

Der Eigentümer des betreffenden Grundstücks verlangte die Duldung der Benutzung der auf dem Grundstück gelegenen Zufahrt zum Erreichen der Garagen mit Kraftfahrzeugen sowie die Beseitigung eines hindernden Betonpodestes. 

 

 

Amtliche Leitsätze: 

  1. Dass die auf dem Grundstück genutzten Bauten baurechtlich genehmigt sind, stellt nur eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für ein Notwegrecht dar (Bestätigung von Senat, Urteil vom 11. Dezember 2020 - V ZR 268/19, NJW-RR 2021, 738 Rn. 16; Klarstellung zu Senat, Urteil vom 24. Januar 2020 - V ZR 155/18, NJW 2020, 1360 Rn. 27). 
  1. Die ordnungsmäßige Benutzung eines Wohngrundstücks, welches eine Verbindung mit einem öffentlichen Weg aufweist, erfordert es im Allgemeinen auch dann nicht, dass auf einem verbindungslosen Grundstücksteil mit baurechtlicher Genehmigung errichtete Garagen zum Abstellen von Kraftfahrzeugen genutzt werden können, wenn deren Zufahrt mittels Baulast gesichert ist. 

 

 

BGH sieht keine Notlage 

Der BGH entschied – wie auch die Vorinstanzen – dass kein Anspruch auf ein Notwegerecht (§ 917 Abs. 1 BGB) bestünde. Da das Grundstück über einen öffentlichen Weg erreichbar sei, könne nicht von einer im Gesetz verlangten Notlage ausgegangen werden. Für eine ordnungsmäßige Benutzung des Grundstücks sei bei einem Wohngrundstück lediglich die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen sowie die Möglichkeit, dieses mit einem eigenen Kraftfahrzeug anzufahren, Voraussetzung. Auch dann, wenn sich die beiden Garagen auf einem unselbständigen Teil des Grundstücks befänden und nicht mehr genutzt werden könnten. Es komme lediglich auf die Ordnungsmäßigkeit der Nutzung des Grundstücks in seiner Gesamtbetrachtung an. 

 

Baugenehmigung und Baulast begründen kein Notwegerecht 

Dass die auf dem Grundstück genutzten Bauten baurechtlich genehmigt sind, stellte nur eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für ein Notwegrecht dar – ungenehmigt bestünde grundsätzlich kein Anspruch. Die Baulast als öffentlich-rechtliche Baubeschränkung gewähre privatrechtlich weder dem dadurch Begünstigten einen Nutzungsanspruch noch verpflichtet sie den Eigentümer, die Nutzung zu dulden. 

 

Gewohnheitsrecht begründet keinen Anspruch auf Nutzung oder Duldung 

Die langjährige Grundstücksnutzung in einer von dem Nachbarn ermöglichten bestimmten Art und Weise bilde auch keine Grundlage für die Ordnungsmäßigkeit der Benutzung des notleidenden Grundstücks im Sinne von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. auch BGH, Urteil vom 24.01.2020 – V ZR 155/18). 

 

 

? Fazit 

Obwohl die Zufahrt zu den Garagen über ein fremdes Grundstück sowohl öffentlich-rechtlich (Baulast) als auch privatrechtlich (Grunddienstbarkeit) ordnungsgemäß gesichert wurde, ist dies kein Garant für eine dauerhafte Nutzung dieser auf dem fremden Grundstück liegenden Zufahrt. Zumindest in diesem konkreten Fall kam auch kein Notwegerecht in Betracht, da das Grundstück an anderer Stelle an einem öffentlichen Weg lag, lediglich die Garagen konnten darüber nicht mehr erreicht werden. Auch wenn es in dem Fall nicht um den konkreten Wertverlust des betreffenden Grundstücks ging, kann dies durchaus einen Wertnachteil begründen. Bei ähnlichen zu bewertenden Fällen sollte die Problematik in Gutachten zumindest beschrieben werden. 

Dass die Grunddienstbarkeit in diesem Fall keinen dauerhaften Bestand hatte, liegt an dem Rangprinzip im Grundbuchrecht, das bei einer Zwangsversteigerung von zentraler Bedeutung ist. Hätte die Grunddienstbarkeit an vorderster Rangstelle gestanden, wäre sie im Normalfall nicht untergegangen.