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Merkantiler Minderwert: Wie reagieren Marktteilnehmer auf Mord und Co.?


„Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale sind marktgerecht durch Zu- oder Abschläge zu berücksichtigen“, fordert die ImmoWertV21. Wie aber die richtigen Zu- oder Abschläge in den Themenbereichen wählen, in denen es keine ausreichenden Marktdaten gibt? Die Gutachterausschüsse generieren zwar die wichtigsten bewertungsrelevanten Daten (wie Liegenschaftszinssätze, Sachwertfaktoren sowie Bodenrichtwerte), Marktuntersuchungen zu Spezialthemen wie zum Beispiel Bauschäden, Altlasten, Schadstoffen oder den merkantilen Minderwert können sie aber nicht leisten.


Deshalb werden die Sachverständigen bei der Bewertung dieser Themen allein gelassen.

Sie sollen Minderwerte marktgerecht und nachvollziehbar ermitteln, haben aber keinerlei Marktdaten zur Verfügung. Ein ganz besonders umstrittenes Thema in diesem Zusammenhang ist die Ermittlung des merkantilen Minderwerts.

Definition merkantiler Minderwert:
„[…] Unter einem merkantilen Minderwert ist dabei der Betrag zu verstehen, um den sich der Verkehrswert eines Grundstücks, das einen Mangel aufwies, trotz vollständiger Beseitigung dieses Mangels in technisch einwandfreier Weise (auch z.B. aufgrund eines Bauschadens) in der allgemeinen verbliebenen Befürchtung mindert, dass sich ein Folgeschaden irgendwie auch künftig auswirken könnte, auch wenn diese Befürchtung tatsächlich unbegründet ist. Der merkantile Minderwert wird auch als psychologischer Minderwert bezeichnet […]“.*
Um besser einschätzen zu können, wie der Markt auf spezielle Gegebenheiten reagiert, hat die Verfasserin eine Umfrage zum Thema „merkantiler Minderwert“ durchgeführt. Ziel war es, eine Einschätzung zu bekommen, wie die Marktteilnehmer insbesondere die Kaufinteressenten auf folgende Szenarien reagieren:

  • Verbrechen / Unglücke / Mysteriöses
  • Fachgerecht sanierte ehemalige Bauschäden
  • Fachgerecht sanierte Grundstücke mit ehemaligen Altlasten
  • Sonstiges wie nahegelegene Umspannwerke, Mobilfunkmasten u.a.

Das Untersuchungsszenario:

Nach Teilnahmen von 200 Personen wurde eine erste Auswertung durchgeführt. Der Teilnehmerkreis war heterogen, da die Umfrage alle Marktbeteiligten erreichen sollte. Dies sollte sich klar zur Expertenbefragung**  abgrenzen, die für die Darstellung der tatsächlichen Marktreaktion als denkbar ungeeignet angesehen wird, da sie lediglich die Einschätzung der Sachverständigen wiedergibt. Es geht bei der Umfrage nicht um Expertisen, sondern um das Gefühl jedes einzelnen, denn Kaufentscheidungen sind überwiegend emotional.

Unter den Teilnehmenden wurden mit 55% überwiegend Einfamilienhäuser angegeben. 12% machten die Zwei- und Dreifamilienhäuser aus. Mehrfamilienhäuser waren mit 16% und Eigentumswohnungen mit 15% vertreten. Eine Minderheit stellten die Gewerbeobjekte mit 1% dar. Mit 57% stammten die meisten Objekte aus den Baujahren 1945 – 1999. 26% der Objekte waren neuere Gebäude und 17% umfassten die Altbauten.


Die Zwischenergebnisse

Hinweis: Bei den Ergebnissen wurde zunächst keine Differenzierung hinsichtlich der Lage, des Teilmarktes sowie des Baujahres gemacht.


Verbrechen / Unglücke / Mysteriöses

Die Auswertung zu diesem Thema zeigt eine ganz deutliche Aufsplittung: Die eine Gruppe der Teilnehmenden hat eine Abneigung gegen das Objekt und würde es auch nicht mit einer Minderung kaufen, die andere Gruppe würde das Objekt ohne Probleme kaufen.
Die Auswertung bezüglich der Todesfälle zeigt deutlich, dass die Mehrheit der Befragten kein Problem mit einem Objekt hat, in dem ein Mensch eines natürlichen Todes gestorben ist. Ein Suizid oder Doppelsuizid beeinflusste die Marktteilnehmer schon mehr, aber auch hier würde die überwiegende Mehrheit der Befragten keinen Abschlag machen. Anders sieht es bei einem Mord aus. Hier ist die Anzahl derer, die keinen Abschlag machen würden, genauso hoch wie die Anzahl derer, die vom Kauf zurücktreten würden. Bei noch gravierenderen Ereignissen wie einem Massaker oder Misshandlungen war die Zahl derer, die vom Kauf zurücktreten würden, deutlich größer als die derer, die keinen Abschlag machen würden. Bei den mysteriösen Szenarien wie einem zufälligen Tod der Vorbesitzer oder einem Spuk im Haus blieben die meisten Befragten unbeeindruckt. Bei einem ehemaligen Friedhof auf dem Grundstück waren die Teilnehmer uneins.

Fachgerecht sanierte ehemalige Bauschäden

Bei den Objekten mit ehemaligen Bauschäden zeigten sich die Antworten nicht so polarisiert wie bei dem vorhergehenden Themenblock zum Tod. Hier gab es auch im Bereich der Wertminderungen zahlreiche streuende Angaben. Dennoch ist erkennbar, dass ehemalige Bauschäden insgesamt nicht sehr wertbeeinflussend sind. In den meisten Fällen überwog die Anzahl derer, die keine Abschläge machen würden. Weiter ist ersichtlich, dass ein beseitigter Hausschwammbefall auch nach Beseitigung den höchsten Werteinfluss im Vergleich zu anderen beseitigten Bauschäden hat. Ehemalige Probleme mit der Tragfähigkeit waren am wenigsten wertbeeinflussend.

Fachgerecht sanierte Grundstücke mit ehemaligen Altlasten

Altlasten wurden kontrovers bewertet. Während die meisten Befragten keine Probleme mit einem ehemals mit Öl verunreinigten Grundstück hatten, waren die Teilnehmer beim Thema ehemaliger Verunreinigung durch radioaktive Substanzen sehr sensibel. 45 % der Befragten würden ein Grundstück, das einmal mit einer radioaktiven Substanz verunreinigt war, nicht kaufen.

Sonstiges wie nahegelegene Umspannwerke, Mobilfunkmasten u. a.

Unter der Rubrik „Sonstiges“ wurden Grundstücke untersucht, die in unmittelbarer Nähe zu Einrichtungen liegen, deren gesundheitliche Beeinträchtigung noch nicht abschließend erforscht ist.
Abgefragt wurde in diesem Zusammenhang der Einfluss eines sich in unmittelbarer Nähe zum Bewertungsobjekt befindlichen Mobilfunkmasts, eines Umspannwerks, einer Hochspannungsleitung, einer Hochspannungsleitung auf dem Grundstück sowie einer Wasserader unter dem Grundstück.
Hier wird deutlich, dass die Befragten in einem nahegelegenen Mobilfunkmast die wenigsten Probleme sehen. Dennoch würden hier 23 % der Befragten vom Kauf zurücktreten, 34 % würden ohne Minderung kaufen.
Die meisten Bedenken haben die Teilnehmer bezüglich einer Hochspannungsleitung auf dem Grundstück. 48 % der Befragten würden vom Kauf zurücktreten und nur 9 % würden den vollen Kaufpreis zahlen.
Die Wasserader unter dem Grundstück hatte den geringsten Einfluss, 56 % würden das Grundstück ohne Wertminderung kaufen.

 

Fazit und Ausblick

Diese erste Auswertung zeigt deutlich, wie individuell das Empfinden jedes einzelnen Marktteilnehmers ist. Was den einen nicht stört, ist für den anderen unmöglich. Es zeigt auch, dass es den merkantilen Minderwert durchaus gibt bzw. geben kann.
 
Als nächstes muss untersucht werden, wie die neuen Umfrageergebnisse in der Wertermittlung verwendet werden können. Dazu muss als erstes eine tiefergehende Auswertung mit Differenzierung nach Lagen erfolgen.
 
Danach wird man entscheiden müssen, wie man mit den Ergebnissen umgeht. Ganz sicher wird es nicht marktgerecht sein, aus den vorliegenden Angaben eine mittlere Minderung zu berechnen. Vielmehr müsste man im einzelnen Themenblock bewerten, welche Aussagekraft die Ergebnisse haben. Wenn sich das Thema Mord zum Beispiel so darstellt, dass etwa nur die Hälfte der Teilnehmer keinen Abschlag machen würde und die andere Hälfte vom Kauf zurücktreten würde, dann ist der Interessentenkreis deutlich kleiner, nämlich halb so groß. Es ist dann die Frage zu beantworten, wieviel länger es dann dauern wird, bis man eben diese 50% der Teilnehmer gefunden hat, die den vollen Preis zahlen. Dies wiederum hängt von der Nachfrage und somit von der Lage ab. Aber nicht nur die Lage, sondern auch weitere Faktoren wie die Bekanntheit, die Schadensart, die Zeitdauer, die Größe des Schadens, der Teilmarkt sowie das Gebäudealter spielen eine Rolle.***
 
Mit einer tiefergehenden Auswertung könnten zumindest vier der sieben Einflusskriterien des merkantilen Minderwerts abgedeckt werden.

  • Bekanntheit des Mangels / Schadens / Ereignisses
  • Schadensart / Art des Ereignisses
  • Lage
  • Zeitdauer nach Beseitigung des Schadens / Ereignisses
  • Größe des Schadens
  • Teilmarkt
  • Gebäudealter

 


Für eine tiefergehende Auswertung sind weitere Teilnehmer an der Umfrage erforderlich! Gerne können Sie unter www.ingenieurbuero-unglaube.de dazu beitragen. Hier geht's zur Umfrage. 
Vielen Dank!


*BGH Urteil vom 24.02.1972, VII ZR 177/70, BGHZ58, 181 = EzGuG 3.38b

**Unglaube: Baumängel und Bauschäden in der Wertermittlung. Reguvis 2021, 6.8.3.

***Unglaube: Baumängel und Bauschäden in der Wertermittlung. Reguvis 2021, 6.8.3.