Nutzungsdauer-Gutachten und Kaufpreisaufteilungen: Neue Entwicklungen im Dezember 2025
Immobilienwissen DE Nutzungsdauergutachten
Nutzungsdauer-Gutachten und Kaufpreisaufteilungen: Neue Entwicklungen im Dezember 2025
Rücknahme des BMF-Schreibens vom 22.02.2023
Eine bedeutende Entwicklung in der Diskussion um Anforderungen an Nutzungsdauer-Gutachten: Das BMF-Schreiben vom 22.02.2023, das bislang als zentrale Entscheidungsgrundlage für die Finanzverwaltung diente, wurde am 1. Dezember 2025 zurückgenommen.
Die Finanzgerichte waren zunehmend der Auffassung, dass das BMF-Schreiben in seinen Anforderungen über das gesetzlich Zulässige hinausging und überwiegend keine ausreichende gesetzliche Grundlage für die formulierten Vorgaben bestand.
Was bedeutet das für die Praxis?
Mit der Rücknahme des BMF-Schreibens entsteht eine Situation erheblicher Rechtsunsicherheit. Finanzbeamten fehlt eine klare Handlungsanweisung, wie mit vorgelegten Gutachten umzugehen ist. Dies betrifft insbesondere den Umgang mit automatisiert generierten Gutachten, die in der Vergangenheit vermehrt eingereicht wurden und häufig ohne Objektbesichtigung durch einen zertifizierten Sachverständigen erstellt werden.
Empfehlung des Finanzausschusses des Bundesrates
Der Finanzausschuss des Bundesrates hat für die Bundesratssitzung am 19. Dezember 2025 empfohlen, die Einschränkung auf öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Nutzungsdauergutachten in den Verordnungsentwurf aufzunehmen.
Diese Empfehlung ist aus mehreren Gründen diskussionswürdig:
- Sie würde eine große Anzahl von durch die deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierte Stelle zertifizierte Sachverständige (im Folgenden ISO-zertifizierte Sachverständige) vom Markt ausschließen.
- Sie steht in einem Spannungsverhältnis zu § 198 BewG, der ISO-zertifizierte Sachverständige den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen gleichstellt.
- Es bestehen Zweifel an der europa- und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Einschränkung.
Das eigentliche Problem: Massengutachten ohne Qualität
Die Kernproblematik liegt weniger in der Qualifikation seriöser Sachverständiger – egal ob öffentlich bestellt und vereidigt oder ISO-zertifiziert – sondern in der Existenz eines Geschäftsmodells, das auf automatisiert erstellten Massengutachten basiert.
Charakteristika dieser problematischen Gutachten:
- Automatisierte Erstellung ohne individuelle Prüfung
- Häufig keine Objektbesichtigung durch einen Sachverständigen
- Im Gutachten wird dies entweder nicht erwähnt oder verschleiert (z.B. durch Verweis auf „externe Dritte“ wie Bankenbesichtigungsservices)
- Teilweise werden nur Außenbesichtigungen durchgeführt
- Hohe Ablehnungsquoten bei den Finanzämtern
Die Problematik wird verschärft durch:
- Das Steuergeheimnis, das eine Kommunikation zwischen Finanzämtern und den Aufsichtsstellen der Sachverständigen erschwert.
- Fehlende Feedbackschleifen, die es den Aufsichtsstellen der Sachverständigen ermöglichen würden, Verstöße zu ahnden.
- Die mangelnde Transparenz über tatsächlich durchgeführte Besichtigungen.
Was war am EStDV-Entwurf vom 5. August 2025 gut formuliert?
Der gescheiterte Entwurf der siebten Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen vom 5. August 2025 enthielt wichtige Elemente, die das Problem der unqualifizierten Massengutachten hätten eindämmen können:
Die explizit geforderte höchstpersönliche Ortsbesichtigung war ein zentraler Punkt. Eine verpflichtende Vor-Ort-Besichtigung durch einen öffentlich bestellten und vereidigten oder ISO-zertifizierten Sachverständigen hätte die überwiegende Mehrheit der problematischen Massengutachten verhindert, da das Geschäftsmodell der automatisierten Gutachtenerstellung bei dieser Anforderung nicht mehr funktioniert hätte.
Der Entwurf scheiterte jedoch auch am vollständigen Ausschluss der ISO-zertifizierten Sachverständigen, obwohl diese:
- Gleichwertige Fachkompetenz nachweisen müssen.
- Vertraglich zur Integrität verpflichtet sind.
- Einer laufenden Qualitätsüberwachung unterliegen.
- In § 198 BewG den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen gleichgestellt sind.
- Bei DAkkS-akkreditierten Zertifizierungsstellen denselben hohen Standards genügen.
Aktueller Stand und Ausblick
Nachdem das BMF-Schreiben vom 22.02.2023 am 1. Dezember 2025 zurückgezogen wurde, existieren derzeit keine klaren Vorgaben für die Erstellung von Nutzungsdauer-Gutachten.
Die Bundesratssitzung am 19. Dezember 2025 wird zeigen, ob und in welcher Form Regelungen eingeführt werden. Es bleibt abzuwarten, ob eine Lösung gefunden wird, die:
- Qualitätssicherung bei Gutachten gewährleistet.
- Qualifizierte Sachverständige nicht pauschal ausschließt.
- Die tatsächlichen Problemverursacher adressiert.
- Rechtssicherheit für alle Beteiligten schafft.
Handlungsempfehlung für Immobilieneigentümer
In dieser Phase der Rechtsunsicherheit ist es besonders wichtig, bei der Beauftragung von Gutachten auf Qualität und Seriosität zu achten. Nur durch die Zusammenarbeit mit seriösen Firmen und qualifizierten Sachverständigen kann sichergestellt werden, dass:
- Gutachten von Finanzämtern anerkannt werden.
- Langwierige Gerichtsverfahren vermieden werden.
- Die steuerliche Optimierung rechtssicher und nachhaltig erfolgt.
- Keine nachträglichen Probleme entstehen.
Qualitätsmerkmale seriöser Gutachten:
- Vor-Ort-Besichtigung durch einen zertifizierten Sachverständigen (dokumentiert im Gutachten).
- Qualifizierte Sachverständige (öffentlich bestellt und vereidigt oder zertifiziert bei einer durch die deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle).
- Individuelle Auseinandersetzung mit den spezifischen Objektmerkmalen.
- Nachvollziehbare methodische Begründung.
- Transparente Kommunikation und Verfügbarkeit für Rückfragen.
Die Investition in ein qualitativ hochwertiges Gutachten mag im ersten Moment höher erscheinen, schützt aber vor jahrelangen Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung und dem Risiko der Nichtanerkennung.