Beleihungswertermittlung und die Unerlässlichkeit der Plausibilisierung
Immobilienwissen DE Beleihungswertermittlung
In der dynamischen Welt der Immobilienwirtschaft sind präzise und zuverlässige Wertermittlungen das Rückgrat für eine Vielzahl wirtschaftlicher Entscheidungen, von Kreditvergaben über Investitionsplanungen bis hin zu strategischen Unternehmensentscheidungen. Dabei nimmt die Beleihungswertermittlung eine besonders kritische Rolle ein, vor allem, da sie grundlegend von der Marktwertermittlung abweicht. Diese Unterscheidung und der nachfolgende Plausibilisierungsprozess sind entscheidend für die Risikominimierung und die Sicherstellung von Finanzstabilität in der Kreditvergabepraxis.
Marktwert vs. Beleihungswert kurz beschrieben - Eine klare Abgrenzung
Der Marktwert einer Immobilie spiegelt den geschätzten wahrscheinlichsten Preis wider, zu dem eine Immobilie unter marktüblichen Bedingungen verkauft werden könnte. Hier fließen aktuelle Marktvergleiche und -bedingungen ein, um einen stichtagsbezogenen Wert zu ermitteln. Dem gegenüber steht der Beleihungswert, der nicht nur den momentanen Wert berücksichtigt, sondern auch die langfristige, nachhaltige Entwicklung der Immobilie und des Marktes einbezieht. Spekulative Elemente haben hier keinen Platz. Der Beleihungswert soll eine vorsichtige, zukunftsorientierte Bewertung darstellen, die auch in schwankenden Marktphasen Bestand hat.
Die Notwendigkeit der Plausibilisierung
Die Plausibilisierung von Beleihungswertgutachten ist mehr als ein bürokratischer Schritt: Sie ist ein unerlässliches Instrument der Qualitätssicherung. Es geht darum, das Gutachten kritisch zu hinterfragen und sicherzustellen, dass alle relevanten Aspekte berücksichtigt wurden. Dies umfasst die Überprüfung der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, die Analyse der Immobilie hinsichtlich ihrer Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken sowie die Bewertung der langfristigen Ertragsmöglichkeiten.
Trotz hoher Qualifikationsstandards der Gutachter und der Einhaltung der Vorgaben können Fehler unterlaufen. Die Plausibilisierung dient somit nicht nur der Fehlervermeidung, sondern erhöht auch die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Gutachtens für Auftraggeber und Finanzinstitute. Man kann manchmal jedoch den Eindruck gewinnen, auf die Plausibilisierung wird wenig bis keine Mühe verwendet, denn mit seiner Unterschrift bestätigt der Gutachter, dass das Gutachten von ihm selbst erstellt wurde und die Vorgaben und Standards des Auftragsgebers und des Gesetzgebers eingehalten wurden. Ist der – beauftragte – Gutachter ausreichend qualifiziert, müsste das doch ausreichen, oder?
Die Bank fordert in der Regel, dass Verträge, Gutachten und sämtlicher Schriftverkehr im Vier-Augen-Prinzip erstellt werden. Es geht also bei der Plausibilisierung nicht um die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, sondern darum, noch einmal „drüberzuschauen" und die wesentlichen Kernpunkte zu prüfen. Diese Prüfung erfolgt nicht unter demselben Fokus, wie wenn der „Plausibilisator" selbst das Gutachten geschrieben hätte.
Welche Kernpunkte sind bei der Plausibilisierung zu beachten? Beantworten wir die Frage von der Seite des Auftraggebers aus. Was sind die wesentlichen Kernaussagen, die er benötigt?
- Die Prüfung des Grundbuchs und die Identifizierung des Pfandobjektes.
- Eine Analyse der Stärken/Chancen und Schwächen/Risiken der Immobilie.
- Die Aussage, wie sicher der ermittelte Reinertrag aus der Immobilie zu erwirtschaften ist, denn daraus wird das Darlehen zurückgeführt.
- Eine Schätzung des Marktwertes und die Ermittlung des Beleihungswertes, denn der Beleihungswert darf den Marktwert nicht überschreiten.
Kurzum: Grundbuch, Immobilienanalyse, Reinertrag, Markt-/Beleihungswert
Darüber hinaus gibt es noch Punkte, die aus Gutachtersicht zu prüfen sind:
- Sind die Vorgaben der BelWertV eingehalten?
- Wurden die wertbestimmenden Parameter ausreichend begründet und nachvollziehbar
dargelegt?
- Ist das Gutachten handwerklich ordentlich gemacht, gut lesbar und in sich schlüssig und stimmen die textlichen Formulierungen mit den Werten in den Tabellen überein?
Kurzum: BelWertV, Begründung der Ansätze, handwerkliche Arbeit
Die Plausibilisierung von Beleihungswertgutachten ist eine komplexe, aber unverzichtbare Aufgabe, die eine hohe Fachkompetenz und Erfahrung erfordert. Sie trägt maßgeblich zur Risikominimierung bei und unterstützt eine fundierte, nachhaltige Kreditvergabepraxis. In einer Zeit, in der die Anforderungen an Genauigkeit und Zuverlässigkeit von Wertermittlungen stetig steigen, ist die sorgfältige Plausibilisierung von Gutachten ein entscheidender Faktor für die Sicherheit und Stabilität im Kreditwesen und Immobiliensektor. Die Plausibilisierung, insbesondere die formale und materielle Plausibilisierung, wird durch aufsichtsrechtliche Regelungen der MaRisk, der EBA-Guidelines und nicht zuletzt der BelWertV deutlich an Bedeutung gewinnen.