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ImmoWertV 2021 – Zum Sinn und Unsinn des neu eingeführten „Alterswertminderungsfaktors“


In der novellierten und am 1. Januar 2022 in Kraft tretenden ImmoWertV werden einige neue Begrifflichkeiten eingeführt. Eine von ihnen ist der sogenannte „Alterswertminderungsfaktor“, der auf ausdrücklichem Wunsch des Bundesrates aufgenommen wurde. Dieser soll den bisherigen allgemeineren Begriff „Alterswertminderung“ ablösen und die Berechnungen im Sachwertverfahren „einfacher“ machen. Leider ist dies mitnichten geglückt.



Die aktuelle Regelung

Die ImmoWertV 2010 regelt in § 23 die Alterswertminderung, die unter Berücksichtigung des Verhältnisses der Restnutzungsdauer zur Gesamtnutzungsdauer der baulichen Anlagen zu ermitteln ist.

In der Sachwertrichtlinie (SW-RL) ist in Ziffer 4.3 Abs. 2 und 3 noch konkreter geregelt, dass die Herstellungskosten unter Berücksichtigung des Verhältnisses der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer zur Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes gemindert werden. Dabei soll die Alterswertminderung in einem Prozentsatz der Gebäudeherstellungskosten ausgedrückt werden und mit der Formel „(GND – RND) / GND x 100“ berechnet werden.

Als Beispiel wird in der SW-RL folgendes aufgeführt (mit GND = 80 Jahre; RND = 50 Jahre):
Alterswertminderung in % = (80 – 50) / 80 x 100 = 38 %

Bei Gebäudeherstellungskosten von beispielsweise 200.000 € betrüge die Alterswertminderung folglich 76.000 € (= 38 % von 200.000 €). Diese ist von den Gebäudeherstellungskosten abzuziehen und ergäbe 200.000 € – 76.000 € = 124.000 €.

Diese Vorgehensweise war aber nicht verbindlich vorgeschrieben, es konnten die alterswertgeminderten Gebäudeherstellungskosten auch direkt über den sogenannten Zeitwertfaktor (= 1 – Alterswertminderung), der dem Verhältnis RND/GND entspricht, berechnet werden. In dem obigen Beispiel betrüge der Zeitwertfaktor dann 1 – 38 % = 62 % (entspricht dem Verhältnis RND/GND = 50/80).

Für die alterswertgeminderten Gebäudeherstellungskosten ergäbe sich dann ebenfalls 200.000 € x 0,62 = 124.000 €.



Die neue Regelung

Über den Bundesrat – und das war seine einzige (!) Forderung – ist der verallgemeinerte Begriff „Alterswertminderung“ durch den einschränkenden Begriff „Alterswertminderungsfaktor“ ersetzt worden, womit offensichtlich nur noch die Faktorvariante der beiden bisherigen Varianten angewendet werden soll. § 36 Abs. 1 ImmoWertV 2021 lautet nun:

„Zur Ermittlung des vorläufigen Sachwerts der baulichen Anlagen, ohne bauliche Außenanlagen, sind die durchschnittlichen Herstellungskosten mit dem Regionalfaktor und dem Alterswertminderungsfaktor zu multiplizieren.“

§ 38 ImmoWertV 2021 definiert den Alterswertminderungsfaktor wie folgt:

„Der Alterswertminderungsfaktor entspricht dem Verhältnis der Restnutzungsdauer zur Gesamtnutzungsdauer.“

In seiner Begründung erläutert der Bundesrat, dass sich die Alterswertminderung nicht nur auf die bundesweit durchschnittlichen Herstellungskosten beziehen dürfe, sondern sich auch auf den Regionalfaktor beziehen müsse und dies sei am einfachsten durch einen Faktor zu erreichen. Zudem sei der Alterswertminderungsfaktor aussagekräftiger als ein Geldbetrag.

Die Begründung des Bundesrates scheint auf den ersten Blick nachvollziehbar, da bei einer Multiplikation – aufgrund des Kommutativgesetzes (a x b = b x a) – nicht viel schiefgehen kann, auch wenn man die Faktoren versehentlich einmal in einer anderen Reihenfolge setzt.

Dennoch sollte eine Verordnung, die nur Grundsätze der Marktwertermittlung zu regeln hat, die Mathematik nicht vorschreiben. Letztlich ist es nämlich in beiden oben aufgeführten Varianten egal, ob die Gebäudeherstellungskosten zunächst mittels Regionalfaktor regionalisiert und anschließend alterswertgemindert werden oder zunächst die Alterswertminderung vorgenommen und anschließend mittels Regionalfaktor regionalisiert wird. Auch die Begründung, dass der Alterswertminderungsfaktor aussagekräftiger sei als der zugehörige Geldbetrag, ist nicht als Begründung geeignet, da bei der Ermittlung des Geldbetrages ebenfalls ein Faktor (bzw. Prozentsatz) berechnet wird, der genau die gleiche Aussagekraft hat wie der Alterswertminderungsfaktor.



Fazit: Eine völlig überflüssige Regelung

Es wird in einer Verordnung, die gemäß ihrer Ermächtigungsgrundlage in § 199 Abs. 1 BauGB nur Grundätze der Marktwertermittlung regeln darf, eine konkrete mathematische Vorgehensweise für die Alterswertminderung vorgeschrieben. Und das ohne irgendeine Notwendigkeit. Bislang war es völlig egal, ob die Alterswertminderung über eine Subtraktion des absoluten Eurobetrags oder über den Zeitwertfaktor (bald: Alterswertminderungsfaktor) ermittelt wurde, denn es kam das exakt gleiche Ergebnis raus. Und das wird es auch in Zukunft – egal was die ImmoWertV 2021 vorschreibt. An diesem Beispiel (und da gibt es auch noch einige weitere) wird deutlich, dass die ImmoWertV 2021 hinterfragt werden muss und eine ImmoWertV-Konformität nicht nur dann gegeben sein darf, wenn sich ein Wertermittler sklavisch an die teilweise unglücklichen oder unnötigen „Vorschriften“ der novellierten und am 1. Januar 2022 in Kraft tretenden ImmoWertV hält.

Vielleicht wird an diesem Beispiel auch deutlich, warum viele Sachverständige und Sachverständigenverbände teils heftige Kritik bzgl. der baldigen offensichtlichen Überregulierung des deutschen Wertermittlungsrecht geäußert haben und weiter äußern werden.



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